Ein riesiges rotes Backsteingebäude auf grüner Wiese. Drei Schornsteine, die in den Himmel ragen. Ein altes Förderband, welches in eine der obersten Etagen des Gebäudes führt. Vor dem massigen Bauwerk eine schwarz-weiße Rakete. Was heute ruhig und fast beschaulich da liegt, war einst einer der wichtigsten Orte der deutschen Waffenindustrie: die Raketenversuchsanstalt Peenemünde.
Ein Ort voller Geschichte
Im Jahr 1936 richteten die Nationalsozialisten in Peenemünde ein militärisches Forschungsgebiet ein. Mit einer Fläche von 25 Quadratkilometern war es das größte derartige Gelände in Europa. Hier entwickelte und erforschte eine Teilstreitkraft der Wehrmacht neue Waffensysteme. Bis zu 12.000 Menschen arbeiteten an der Entwicklung der weltweit ersten Marschflugkörper und der ersten funktionierenden Großrakete. Im Jahr 1942 startete von Peenemünde die erste Rakete, die es ins Weltall schaffte und brachte dem kleinen Ort den Spitznamen „Wiege der Raumfahrt“ ein. Dies war ein wichtiger technischer, aber auch militärischer Durchbruch. Ab 1944 wurden die ersten, in Peenemünde entwickelten Marschflugkörper und Raketen im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Möglich war all dies durch die unfreiwillige Hilfe zahlreicher Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangener.
Zu Beginn des Jahres 1945 begannen die Nationalsozialisten, die Versuchsanstalt zu räumen und Mitarbeiter und Material an verschiedene Orte zubringen. Die Häftlingslager wurden aufgelöst und die verbliebenen Häftlinge im April auf Todesmärsche geschickt. Im Mai besetzten sowjetischen Truppen die Versuchsanstalt. Sie diente ihnen bis in die 1950er-Jahre als Marine- und Luftwaffenstützpunkt. Anschließend wurde das Gelände von der Nationalen Volksarmee der DDR übernommen, die den gesamten nordwestlichen Bereich der Insel Usedom – darunter das Gelände der Versuchsanstalt – bis zur Wiedervereinigung 1990 als militärisches Gebiet nutzte.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Heute befindet sich auf dem geschichtsträchtigen Gelände der ehemaligen Raketenversuchsanstalt das Historisch-Technische Museum Peenemünde. Seine Ausstellung arbeitet die Geschichte des Standortes auf und setzt sich mit der Entstehung und Nutzung der dort entwickelten Waffen auseinander. Wer hat in der Versuchsanstalt gearbeitet? Unter welchen Bedingungen haben die Menschen dort gelebt und gearbeitet? Warum wurden die Waffenprojekte überhaupt durchgeführt? Alle diese Fragen beantwortet das Museum. Hier erzählt es aber nicht nur eine globale Geschichte, sondern stellt Einzelschicksale dar, sodass die Erlebnisse der Häftlinge den Besucher persönlich berühren. Zudem informiert die Ausstellung auch über die Geschichte der Raumfahrt. Sie dokumentiert den Werdegang der Raketenentwicklung von den ersten kleinen Raketen bis hin zur Entwicklung der Großraketen in Peenemünde und deren Einsatz im Zweiten Weltkrieg. Auch der Nachkriegszeit wird ein Bereich gewidmet. Hier wird über die Technik informiert, die während des Kalten Krieges in Peenemünde entwickelt wurde.
Hoch hinauf und hinaus
Besonders spannend ist das alte Kraftwerk. Es ist das letzte erhaltene Gebäude der ehemaligen Anlage und somit begehbares Denkmal. Im Innern dokumentiert eine Ausstellung im Kesselhaus die Geschichte, den Bau und die Nutzung des Kraftwerkes. Eine weitere Ausstellung beschäftigt sich mit Aufbau und Funktion des einstigen Kohlekraftwerkes. Mit dem gläsernen Fahrstuhl geht es hinauf aufs Dach. Dort befindet sich in 30 Metern Höhe eine Plattform, von der sich das Gelände überblicken lässt. Da das Gelände – wegen Mienengefahr – größtenteils nicht zugänglich ist, wird die Größe der ganzen Anlage erst dort oben deutlich.
Aber auch auf dem Boden gibt es einiges zu entdecken: Zahlreiche Großexponate sind auf dem Gelände ausgestellt. Darunter ein Nachbau der berühmten Rakete A4/„V2“.
Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte
Da im Museum viele Eindrücke vermittelt werden, ist es für den Besucher nicht leicht, sich mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen. Das Museum bietet Hilfe: Neben einfachen Führungen gibt es je nach Alter der Besuchergruppe zahlreiche Möglichkeiten, die Themen der Ausstellung zu verarbeiten und zu vertiefen. Hierzu zählen Workshops, aber auch kreative Ansätze wie die Erstellung von Collagen und Storyboards. Zudem gibt es die Option, sich spielerisch mit der Geschichte der Versuchsanstalt auseinanderzusetzen.