Landgut und Museum La Granja

Das in üppig grüne Hänge westlich der Hauptstadt Palma, in der Nähe des Ortes Esporles, eingebettete historische Landgut La Granja ist das bekannteste und meistbesuchte Volkskundemuseum Mallorcas und bietet einen schönen und vollständigen Einblick in diese besondere Facette der Inselgeschichte. Das fruchtbare, wasserreiche Tal ermöglichte eine ergiebige Landwirtschaft und war daher schon in der maurischen Epoche besiedelt. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Anwesen zunächst vom Zisterzienserorden und später von verschiedenen Adelsfamilien zu einem der bedeutendsten Landgüter Mallorcas erweitert. Vor allem die Produktion von Olivenöl machte die Besitzer reich. Das heutige Hauptgebäude mit seiner schlossähnlichen Erscheinung stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert.

Landgut als Mikrokosmos

Die großen Landgüter, für die La Granja ein gutes Beispiel ist, sind ein entscheidender Bestandteil der Geschichte des ländlichen Raums auf Mallorca. Sie waren weit mehr als einfache Bauernhöfe; sie waren gesellschaftliche Mikrokosmen mit Dutzenden ständiger Bewohner, die hier in einer strengen gesellschaftlichen Hierarchie lebten. Ganz oben stand der Besitzer des Guts mit seiner Familie. Sie gehörten fast immer der städtischen Oberschicht an und wohnten in der Regel nicht ständig auf ihrem Gut. Für ihre gelegentlichen Aufenthalte waren prunkvolle Repräsentationsräume und aufwendige Gartenanlagen vorgesehen; das Herrenhaus war stets der zentrale Teil der ganzen Anlage und glich oft einem kleinen Schloss. Der Nächste in der Hierarchie war der Pächter: Üblicherweise bewirtschafteten die Eigentümer das Gut und seine Ländereien nicht selbst, es wurde verpachtet. Dadurch stand der Pächter in der Hierarchie gleich unter den Eigentümern, er war der stets anwesende Manager, der für das Funktionieren des Betriebes verantwortlich war und die Befehle erteilte.

Darunter folgten weitere Schichten wie die Amitjers, die als Kleinbauern einzelne Parzellen pachteten, dann die Knechte und Mägde und schließlich die einfachsten Arbeiter, die Tagelöhner. Da die Landgüter nicht nur Agrarerzeugnisse, sondern auch handwerkliche Güter herstellten, waren auch zahlreiche Handwerksberufe vertreten. Große Possessions konnten eine Bevölkerung von über hundert Menschen haben, von denen jeder seine spezielle Aufgabe und seinen Platz in einem komplexen Gefüge hatte. Sie funktionierten wie wirtschaftlich autarke Dörfer, die die meisten Güter des eigenen Bedarfs selbst herstellten. Mit „Exportartikeln“ wie Getreide, Wein, Obst oder Olivenöl wurde der Gewinn erwirtschaftet. Da die Anwesen recht abgelegen waren, verließen die Bewohner der unteren Schichten oft ihr ganzes Leben nicht ein einziges Mal das Grundstück: Sie starben dort, wo sie geboren wurden.

Großer Außenbereich

Im Außenbereich von La Granja gibt es neben dem sehr schönen Garten auch einige Gehege mit traditionellen Nutztierrassen. Das Hauptgebäude ist ohne Führung zugänglich. Der Rundgang führt durch die herrschaftlichen Wohn- und Repräsentationsräume, aber auch zu den Quartieren der Knechte und Mägde. Interessant sind die verschiedenen Werkstätten: Neben der Ölmühle gab es auch einen Weinkeller, außerdem wurden viele handwerkliche Berufe und eine umfangreiche Textilverarbeitung ausgeführt. Die Informationen sind etwas knapp gehalten, daher lohnt es sich, an der Kasse das Büchlein mit ausführlichen Texten auf Deutsch mitzunehmen.

Auch wenn einiges an folkloristischer Aushübschung im Spiel sein mag, ist die Ausstellung interessant und informativ und ermöglicht einen guten Eindruck von der Funktion eines solchen Landguts. Der ausgedehnte Waldweg durch den oberen Teil des Grundstücks ist dagegen eher weniger interessant. Nach dem Abschluss des Rundgangs kann man lokale Spezialitäten verkosten. Natürlich kann man die Erzeugnisse auch kaufen, man wird aber nicht dazu gedrängt.

Mallorquinisches Volksfest

Zweimal pro Woche werden beim „mallorquinischen Volksfest“ Handwerkstechniken, eine Pferdedressur, Trachten und Volkstänze vorgeführt. Dies ist natürlich keine gelebte Tradition, sondern eine professionelle Show, trotzdem aber eine gute Gelegenheit, das immaterielle Kulturerbe zu erleben. Allerdings muss man sich dabei auf etwas Trubel einstellen: La Granja ist das bekannteste und meistbesuchte Museumsgut Mallorcas und Ziel vieler Busausflüge. Vor allem beim „Volksfest“ am Mittwoch und Freitag herrscht ziemliches Gedränge. Wenn man nur das Gebäude und die Ausstellung sehen möchte, sollte man diese Tage daher meiden. Community: 0 Bewertungen
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